Oranienburg war die erste deutsche Stadt, die keine neuen Stromkunden mehr annehmen konnte. Die Kapazitätsgrenzen für die Stromversorgung waren erreicht.

Die 47.000-Einwohner-Stadt, nördlich von Berlin, steht seit 2024 im Fokus, wenn es um die Frage geht, wie Städte mit wachsendem Strombedarf umgehen. Noch vor wenigen Jahren sorgte die brandenburgische Stadt bundesweit für Schlagzeilen: Neue Stromkunden konnten nicht mehr angeschlossen werden, die Kapazitätsgrenzen des Netzes waren erreicht. Die Stadtwerke nannten als Gründe den starken Zuzug, das wirtschaftliche Wachstum und den verstärkten Einbau von Wärmepumpen. Selbst Leistungserhöhungen bestehender Hausanschlüsse waren nicht genehmigungsfähig.
Netzbetreiber muss Stromanschluss stellen – kann aber nicht
Die Situation hatte Signalwirkung über die Stadt hinaus: Die Bundesnetzagentur musste informiert werden, denn grundsätzlich ist jeder Netzbetreiber verpflichtet, neue Anschlüsse bereitzustellen. Ein Mangel an Kapazität darf kein Ablehnungsgrund sein. Die Stadtwerke Oranienburg arbeiteten daher gemeinsam mit E.DIS Netz an einer Zwischenlösung, bis der Neubau eines eigenen Umspannwerks voraussichtlich Ende 2026 fertiggestellt wird. Bis dahin bleiben Anschlüsse für Wärmepumpen, Ladeinfrastruktur, Gewerbe- und Industrieflächen eingeschränkt. Bestehende Verträge bleiben unberührt.
Seit Mai 2024 entspannt sich die Lage jedoch spürbar. Die Stadtwerke haben wieder Genehmigungen für neue Hausanschlüsse und Leistungserhöhungen erteilt, wodurch der bisherige Engpass abgemildert wird. Kurzfristige Maßnahmen und die Abstimmung mit E.DIS Netz sorgen dafür, dass die wachsende Stadt weiterhin zuverlässig mit Strom versorgt werden kann.
Eidechse blockiert eigenes Umspannwerk
Parallel arbeitet die Stadt an der langfristigen Lösung: dem Bau eines eigenen Umspannwerks mit einer Investitionssumme von rund 34,5 Millionen Euro, wovon die Stadt Oranienburg 13,8 Millionen Euro als Eigenkapital bereitstellt. Das Umspannwerk soll die Versorgungssicherheit deutlich erhöhen und zukünftigen Engpässen vorbeugen.
Doch nicht alle sind mit den Plänen zufrieden. Eine Bürgerinitiative äußerte Bedenken hinsichtlich des Standorts und fordert eine Neubewertung der Pläne. Zudem sorgt der Schutz der lokalen Tierwelt, etwa der Zauneidechsen in dem vorgesehenen Gebiet, für Diskussionen und rechtliche Auseinandersetzungen.
Folgen der zunehmenden Elektrifizierung
Die Stadtverwaltung betont, dass die Entwicklungen zeigen, wie stark der Strombedarf Oranienburgs in den vergangenen Jahren gestiegen ist. „Er wächst schneller, als wir es in der Vergangenheit vorausgesehen haben“, erklärte der Bürgermeister. Insbesondere die zunehmende Elektrifizierung – durch Wärmepumpen, E-Autos und zunehmend elektrische Industrieprozesse – belastet das vorgelagerte Hochspannungsnetz. Die Kapazität der Stromspeicher in Deutschland ist zwar in den letzten zwei Jahren um 150 Prozent gestiegen, viele private Speicher werden jedoch noch nicht intelligent genutzt. Das Hamburger Cleantech-Startup 1Komma5° arbeitet daran, Photovoltaik, Speicher, Wärmepumpen, Klimaanlagen und Wallboxen über KI-basierte Steuerungslösungen zu vernetzen, um Netzspitzen zu glätten und virtuelle Kraftwerke zu schaffen. Auch Oranienburg könnte künftig von solchen Innovationen profitieren.
Insgesamt zeigt sich ein Bild aus kurzfristiger Krisenbewältigung und langfristiger Planung: Oranienburg hat die unmittelbare Stromversorgung gesichert, setzt auf Investitionen in die Netzinfrastruktur und steht zugleich vor der Herausforderung, ökologische und bürgerliche Interessen beim Umspannwerksbau in Einklang zu bringen. Für die wachsende Stadt bleibt die Versorgungssicherheit ein zentrales Thema, das über Wohlstand, Neubauprojekte und die Attraktivität für Unternehmen und Privatpersonen entscheidet.



