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Heizung: Die alte 19-Grad-Regel wackelt

Mit Beginn der kälteren Jahreszeit stellt sich in vielen Haushalten dieselbe Frage: Wie warm sollte es eigentlich sein? Lange galt 19 Grad als Orientierung für energiesparendes Heizen. Doch dieser Richtwert hat an Aussagekraft verloren. Zu unterschiedlich sind die Wohnsituationen, zu vielfältig die Heizsysteme, und nicht jede Bauweise reagiert gleich auf niedrige Temperaturen. Zudem lässt sich mit modernen Thermostaten deutlich präziser steuern, als es früher möglich war.

Warum pauschale Empfehlungen nicht mehr greifen

Die Wohnungsstruktur spielt heute eine größere Rolle denn je. Ein saniertes Mehrfamilienhaus hält Wärme ganz anders als ein freistehender Altbau. Wer in einer Wohnung lebt, profitiert oft von der Abwärme der Nachbarn, während Einfamilienhäuser schneller auskühlen. Deshalb führt eine einheitliche Temperaturregel eher zu Fehlentscheidungen als zu echten Einsparungen.

Hinzu kommt die operative Temperatur, also der Einfluss von Wand- und Fensteroberflächen auf das persönliche Wärmeempfinden. Ein Raum kann sich bei 20 Grad kühl anfühlen, wenn die Außenwände kalt sind. In gut gedämmten Neubauten hingegen wirken dieselben 20 Grad deutlich angenehmer. Eine starre Gradzahl wird dieser Realität nicht gerecht.

Die neue Empfehlung: Zonen statt Einheitswert

Fachleute raten inzwischen dazu, die Wohnung in Nutzungszonen einzuteilen. Aufenthaltsräume wie Wohnzimmer oder Arbeitszimmer sollten rund 20 Grad erreichen, in manchen Fällen etwas mehr. Schlafzimmer können kühler bleiben, solange sie nicht auskühlen. Räume, die selten genutzt werden oder nicht beheizt werden sollen, sollten zumindest eine Grundtemperatur behalten, damit sich keine feuchten Bereiche bilden.

Entscheidend ist das Zusammenspiel mit der Luftfeuchtigkeit. Werte zwischen 40 und 60 Prozent sind ideal. In zu feuchten Räumen kondensiert die Luft schneller an kalten Flächen, was Schimmel begünstigt. Deshalb ist ein abgestimmtes Heiz- und Lüftungsverhalten wichtiger als eine einzelne Temperaturmarke.

Intelligente Heiztechnik nutzen

Moderne Heizsysteme und Thermostate erlauben heute eine viel feinere Steuerung. Zeitprogramme sorgen dafür, dass Räume nur dann aufheizen, wenn sie tatsächlich genutzt werden. Offene Fenster werden erkannt, die Heizung regelt automatisch herunter und später wieder hoch. In unsanierten Häusern sorgt diese Automatik oft für deutlich mehr Effizienz als das manuelle Drehen an der Reglerskala.

Vernetzte Thermostate können zudem verschiedene Räume unterschiedlich ansteuern. Damit lassen sich Komfortzonen schaffen, ohne unnötig Energie in Nebenräumen zu verbrauchen. Gerade in Gebäuden mit älteren Heizkörpern führt die Feinanpassung zu spürbaren Einsparungen, weil die Temperatur nicht ständig zu hoch eingestellt werden muss.

Kosten senken, ohne Komfort zu verlieren

Die wichtigste Erkenntnis: Es bringt wenig, die Heizung pauschal weit herunterzudrehen. Sinkt die Temperatur zu stark, benötigen Räume später mehr Energie, um sich wieder aufzuwärmen. Außerdem steigt das Risiko für feuchte Wände und Zugerscheinungen. Eine moderate Absenkung in ungenutzten Bereichen und konstante Temperaturen in Wohnzonen sind meist die bessere Lösung.

Auch das Verhalten im Alltag spielt eine Rolle. Türen zwischen unterschiedlich warmen Räumen sollten eher geschlossen bleiben, damit keine Feuchtigkeit wandert. Stoßlüften wirkt effizienter als dauerhaft gekippte Fenster. Je gleichmäßiger das Raumklima bleibt, desto geringer sind die Schwankungen, die zusätzliche Heizenergie verursachen.

Worauf Haushalte künftig achten sollten

Da Energiepreise und CO2-Kosten weiter steigen, wird die individuelle Heizstrategie wichtiger. Wer seine Räume beobachtet, die Feuchtigkeit regelmäßig prüft und das Heizsystem optimal nutzt, spart oft mehr Energie als jemand, der starr an 19 Grad festhält. Auch kleinere Maßnahmen wie neue Dichtungen an Fenstern oder das Freihalten der Heizkörper verbessern das Wohnklima merklich.

Am Ende zählt weniger die Temperatur auf dem Display, sondern das Zusammenspiel aller Faktoren. Die alte Empfehlung hatte ihre Zeit – die neue Realität verlangt eine differenziertere Sicht auf Wärme, Komfort und Effizienz.