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Erste Stadt versorgt Bürger komplett mit Ökostrom

München ist die erste deutsche Großstadt, die ihre Bürger vollständig mit Ökostrom versorgt: Die Stadtwerke München (SWM) produzieren seit 2025 so viel Strom aus erneuerbaren Energien, wie der gesamte Strombedarf der Stadt beträgt. Damit wird der Stromverbrauch aller Münchner Privathaushalte und Unternehmen bilanziell zu 100 Prozent durch Ökostrom gedeckt. Bilanziell? Dahinter steckt ein Haken.

Offshore-Windpark Gode Wind 3: Installation des ersten Fundaments (Foto: Ørsted)

Ein Teil dieser erneuerbaren Energie wird nicht direkt in München, sondern außerhalb Deutschlands erzeugt. In der Praxis stehen viele dieser Anlagen weit entfernt – in Brandenburg, Norwegen oder auf Offshore-Flächen in der Nordsee. Auch ein Solarpark in Andalusien gehört zum Portfolio. Für Stefan Jagel, Fraktionsvorsitzender der Linken im Münchner Stadtrat, ist das eine Täuschung: Der Strom aus norwegischen Windrädern könne realistischerweise nie in München ankommen.

Ausbau vor Ort: neue Projekte in Oberbayern

Die Stadtwerke verweisen auf strukturelle und politische Hürden für den regionalen Ausbau. Eine Analyse habe früh gezeigt, dass sich Münchens Strombedarf vor Ort nicht vollständig decken lasse. In Norddeutschland sei die Windausbeute deutlich höher, zudem hätten gesetzliche Vorgaben wie die bayerische 10-H-Abstandsregel den Bau von Windkraftanlagen stark erschwert. Inzwischen wurde die Regelung gelockert, der Ausbau in der Region hat an Fahrt aufgenommen.

So sollen in den kommenden Monaten drei neue Solarparks rund um München ans Netz gehen – in Dachau, Erding und Garching. Die größte Anlage entsteht in Zengermoos im Landkreis Erding. Sie entspricht in ihrer Fläche etwa 40 Fußballfeldern und kann rechnerisch bis zu 63 Prozent des Strombedarfs des Münchner Stadtteils Moosach decken. Auch Windkraftprojekte in den Landkreisen Eichstätt und Fürstenfeldbruck befinden sich in Planung.

Regionale Konkurrenz und knappe Flächen

Trotz dieser Aktivitäten liegt der Anteil des in Bayern erzeugten Ökostroms aus Stadtwerke-Anlagen laut Geschäftsführer Florian Bieberbach derzeit bei nur 7,6 Prozent. Ein Hauptproblem sei die Flächenknappheit. Hinzu komme, dass auch immer mehr Kommunen im Umland eigene Windparks umsetzen.

Die Stadtwerke selbst wollen an ihrem Kurs festhalten und auch weiterhin in küstennahe und internationale Windparks investieren. Derzeit hoffen sie auf den Zuschlag für ein Offshore-Projekt vor der irischen Küste. Bieberbach kündigte an, dafür einen dreistelligen Millionenbetrag bereitstellen zu wollen. Der Grund: Die bisherigen Investitionen seien wirtschaftlich erfolgreich gewesen.

Wirtschaftlicher Erfolg durch grüne Energie

Nach Angaben der Stadtwerke flossen bislang rund 4,2 Milliarden Euro in den Ausbau erneuerbarer Energien. 3,5 Milliarden davon seien bereits zurückgeflossen. Zwischen 2020 und 2024 erwirtschaftete der Bereich einen Gewinn von knapp 130 Millionen Euro. Ohne diesen Erfolg, so Bieberbach, wären andere Angebote wie städtische Bäder oder der ÖPNV nicht kostendeckend betreibbar gewesen. Zuschüsse aus dem städtischen Haushalt seien dabei nie notwendig gewesen.

Strompreise: Keine Entwarnung für Verbraucher

Trotz aller wirtschaftlichen Erfolge können die Stadtwerke keine Entlastung für Endverbraucher versprechen. Zwar sei der Ökostromanteil im Portfolio gestiegen, doch bleibe der Strompreis auch von anderen Faktoren wie Netzentgelten, Steuern und Einkaufskosten abhängig. Für die Kunden bedeutet das: Nachhaltige Stromproduktion schützt zwar langfristig das Klima – kurzfristig senkt sie aber nicht zwangsläufig die eigene Stromrechnung.