Startseite » Hintergründe » Klimaneutralität bis 2045: Warum Deutschlands ehrgeiziges Ziel wenig bewirkt

Klimaneutralität bis 2045: Warum Deutschlands ehrgeiziges Ziel wenig bewirkt

Als Deutschland im Jahr 2021 beschloss, sein Klimaneutralitätsziel auf das Jahr 2045 vorzuziehen, galt dies als ambitionierter Schritt in der Klimapolitik. Doch in der Praxis hat diese frühere Zielmarke kaum Auswirkungen auf die Gesamtmenge an ausgestoßenem CO₂ – und das liegt vor allem am europäischen Emissionshandel.

Deutschland ist durch das Pariser Klimaabkommen verpflichtet, bis Ende des Jahrhunderts klimaneutral zu werden. Die Europäische Union hat daraus das Zieljahr 2050 abgeleitet und gibt ihren Mitgliedsstaaten klare Rahmenbedingungen vor. Die vorgezogene Zielmarke Deutschlands bedeutet jedoch nicht, dass in Summe weniger Emissionen ausgestoßen werden – zumindest nicht in den Bereichen, die dem EU-Emissionshandel unterliegen.

Wie der europäische Emissionshandel funktioniert

Der europäische Emissionshandel (EU ETS) regelt die CO₂-Emissionen in den Sektoren Energie, Industrie und Luftverkehr. Unternehmen erhalten eine begrenzte Anzahl an Emissionszertifikaten, die sie entweder nutzen oder an andere Unternehmen verkaufen können. Die Gesamtmenge an CO₂-Emissionen wird durch die EU festgelegt und jährlich gesenkt.

Das bedeutet: Selbst wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral wird, hat dies keine unmittelbare Auswirkung auf die europaweit zulässige Menge an Emissionen. Die Zertifikate, die deutsche Unternehmen nicht mehr nutzen, könnten schlicht von Firmen in anderen EU-Ländern aufgekauft werden und werden es auch, weil sie mehr Zeit haben bis 2050. Die Emissionen würden sich also nur geografisch verlagern, anstatt insgesamt reduziert zu werden.

Warum die frühere Zielmarke wenig bewirkt

Deutschland kann durch seine nationale Klimapolitik zwar Fortschritte erzielen, doch solange es keine Änderungen am Emissionshandelssystem gibt, bleibt die europäische CO₂-Obergrenze unberührt.

Ein vorgezogenes Klimaziel bringt nur dann einen Vorteil, wenn Deutschland zusätzliche Zertifikate aus dem Markt nimmt, um sie nicht weiter zu verkaufen. Ohne diese Maßnahme bleibt der Effekt des vorgezogenen Ausstiegs marginal.

In den nicht vom Emissionshandel betroffenen Sektoren – etwa Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft – könnte das frühere Ziel hingegen tatsächlich eine schnellere Dekarbonisierung bewirken. Doch gerade hier bleibt der Fortschritt bisher hinter den Erwartungen zurück.

Europäische Lösungen sind entscheidend

Entscheidend für die Wirkung auf das Klima ist nicht, wann Deutschland klimaneutral wird, sondern dass die EU insgesamt die Menge der zulässigen Emissionen schneller senkt. Nur so kann der Kontinent wirklich vor 2050 klimaneutral werden.

Deutschland war im Jahr 2021 für etwa 1,8 % der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Historisch betrachtet, also seit Beginn der industriellen Revolution um 1850, hat Deutschland laut Bundesumweltamt rund 3,7 % der globalen CO₂-Emissionen verursacht.

Deutschlands Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, ist ein politisches Zeichen – mehr nicht. Der europäische Emissionshandel wird zudem weite Teil eigenständiger nationaler Klima- und Umweltpolitik ersetzen.