Die Gasspeicher in Deutschland füllen sich deutlich langsamer als in den Vorjahren. Laut aktuellen Daten von Gas Infrastructure Europe (GIE) lag der Füllstand Mitte August bei nur 67 Prozent – ein auffälliger Rückgang im Vergleich zum Vorjahr, als zum selben Zeitpunkt über 93 Prozent erreicht waren. Branchenverbände und Netzbetreiber schlagen Alarm. Die Bundesregierung sieht bislang keinen Handlungsbedarf.

„Historisch schlecht befüllt“: Selbst die Grünen, die fossilen Energien besonders kritisch gegenüberstehen, zeigen sich angesichts des niedrigen Standes der deutschen Gasspeicher besorgt. „Ich will keine Panik schüren, aber mir macht das Sorge, dass bei einem sehr kalten Winter die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet ist“, sagt Michael Kellner, energiepolitischer Sprecher der Grünen und ehemaliger Staatssekretär von Robert Habeck.
Technisch nicht mehr vollständig befüllbar
Schon im Juli hatte der Verband der Gasspeicherbetreiber (Ines) davor gewarnt, dass eine vollständige Befüllung bis zum 1. November 2025 technisch nicht mehr möglich sei. Zwar ließe sich der gesetzlich vorgeschriebene Zielwert von rund 70 Prozent theoretisch noch erreichen, doch auch dies reiche aus Sicht des Verbands nicht aus, um die Versorgung im Winter sicherzustellen.
Das Bundeswirtschaftsministerium verweist dennoch auf eine „hohe Versorgungssicherheit“ und plant keine staatlich kontrollierte Gasreserve. Beobachter halten dies angesichts der niedrigen Speicherstände für riskant. Zum Vergleich: Noch leerer waren die Speicher zuletzt im Corona-Winter 2020/21, als sie im August nur zu 55,6 Prozent gefüllt waren.
Hohe Preise und wenig Wind dämpfen Befüllung
Hintergrund der Entwicklung sind mehrere Faktoren. Zum einen führte der kalte Winter 2024/25 zu einem hohen Verbrauch. Zudem fiel die Windstromproduktion im Frühjahr schwächer aus als erwartet. Ein weiterer Aspekt: Die Sommer-Gaspreise lagen dieses Jahr auf hohem Niveau. Händler, die üblicherweise günstigeres Gas im Sommer einkaufen, speicherten daher weniger. Auch europäische Vorgaben zur Speicherbefüllung und frühere Subventionsmodelle haben laut Experten zu einer Verteuerung beigetragen.
Neue Vorgaben – aber reicht das?
Um Druck aus dem System zu nehmen, hat die Bundesregierung im Mai die gesetzlich vorgeschriebenen Füllstandsvorgaben gesenkt: Kavernenspeicher sollen bis November zu 80 Prozent gefüllt sein, Porenspeicher zu 45 Prozent. In der Summe ergibt sich damit ein Zielwert von rund 70 Prozent statt wie zuvor 90 Prozent.
Der Branchenverband Ines hält auch das für unzureichend – selbst dann, wenn benachbarte Staaten ihre Speicher vollständig befüllen. Kritik kommt auch von den Fernleitungsnetzbetreibern. Sie fordern ein neues Konzept mit Sicherheitsreserve und schlagen ein „Kombinationsmodell“ vor, bei dem etwa Trading Hub Europe (THE) zusätzlich Gas für den Notfall einlagert.
Sicherheitsreserven als umstrittenes Instrument
Das Unternehmen THE, das bereits seit 2022 für strategische Speichermaßnahmen zuständig ist, unterstützt die Idee einer Sicherheitsreserve. Die gesetzliche Aufgabe zur Speicherbefüllung liege aber vorrangig bei den Marktteilnehmern. Ergänzende Eingriffe des Staats müssten sorgfältig abgewogen werden, warnt auch der Branchenverband der Gas- und Wasserstoffwirtschaft. Jede staatliche Maßnahme könne zu Marktverzerrungen führen – auch wenn eine Reserve angesichts geopolitischer Risiken grundsätzlich sinnvoll erscheine.
Keine akute Gefahr für Haushalte – aber Unsicherheit bleibt
Für private Haushalte besteht kurzfristig keine Gefahr. Die Versorgungsunternehmen verfügen in der Regel über langfristige Lieferverträge, und saisonale Preisschwankungen am Großmarkt schlagen sich nicht direkt auf Endkundenpreise nieder. Dennoch wächst mit dem langsamen Speicheraufbau die Unsicherheit auf dem Gasmarkt. Steigende Energiepreise im kommenden Winter sind nicht ausgeschlossen. Ob das neue Mindestziel von 70 Prozent bis November tatsächlich erreicht wird, bleibt offen.