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Bundesregierung plant geordneten Ausstieg aus Erdgasnetzen

Deutschland will sich schrittweise vom fossilen Erdgas verabschieden. Bis 2045 soll das Land klimaneutral werden, doch noch fehlen die gesetzlichen Grundlagen für den Umgang mit bestehenden Gasnetzen. Nun liegt ein Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium vor, der erstmals regeln soll, wie Stadtwerke und Energieversorger Gasnetze stilllegen dürfen – auch gegen den Willen der Verbraucher.

Gasanschluss (Foto: VZ NRW/adpic)

Neues Energiewirtschaftsrecht in Vorbereitung

Nach geltendem Recht sind Gasnetzbetreiber verpflichtet, Haushalte und Unternehmen zu beliefern, wenn diese es wünschen. Eine Stilllegung ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Das steht im Widerspruch zu den politischen Klimazielen, wonach fossile Energien bis 2045 vollständig ersetzt werden sollen.

Der neue Entwurf soll das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) entsprechend anpassen und zugleich die Vorgaben des EU-Gaspakets von 2024 in deutsches Recht übertragen. Stadtwerken und kommunalen Versorgern soll es damit grundsätzlich möglich werden, Gasleitungen abzuschalten und Netze außer Betrieb zu nehmen.

Verpflichtung zu Netzentwicklungsplänen

Sobald sich eine deutliche und dauerhafte Verringerung der Erdgasnachfrage innerhalb von zehn Jahren abzeichnet, sollen Energieversorger künftig verpflichtet sein, sogenannte Netzentwicklungspläne zu erstellen. Diese Pläne müssen darlegen, ob ein Gasnetz teilweise auf alternative Energieträger wie Wasserstoff oder Biomethan umgestellt oder vollständig stillgelegt wird.

Die Pläne werden von einer zuständigen Behörde geprüft und in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Damit soll ein geordneter Übergang von der fossilen zur klimaneutralen Wärmeversorgung gewährleistet werden.

Stadtwerke dürfen künftig selbst entscheiden

Eine der zentralen Neuerungen: Versorger sollen Verbraucher künftig auch ohne deren Zustimmung vom Gasnetz trennen dürfen, wenn eine weitere Nutzung nicht mehr vorgesehen ist. Das gilt insbesondere dort, wo Fernwärme, Wärmepumpen oder andere klimafreundliche Alternativen zur Verfügung stehen.

Allerdings müssen die betroffenen Kunden langfristig informiert werden. Der Entwurf sieht mehrere Fristen vor: Zehn Jahre vor der Stilllegung erhalten sie eine erste Mitteilung, danach folgen weitere Hinweise fünf Jahre, zwei Jahre, sechs Monate und zwei Wochen vor dem endgültigen Termin.

In diesen Schreiben müssen die Energieversorger begründen, weshalb der Netzanschluss entfällt, und welche Alternativen zur Wärmeversorgung möglich sind. Ebenso sind sie verpflichtet, auf staatliche Förderprogramme und finanzielle Unterstützungen hinzuweisen.

Keine Rückbaupflicht der Leitungen

Besonders für Stadtwerke von Bedeutung: Stillgelegte Leitungen sollen in der Erde verbleiben dürfen. Ein Rückbau würde erhebliche Kosten und personellen Aufwand verursachen. Grundstückseigentümer müssen die stillgelegten Leitungen daher dulden, solange keine zwingenden technischen oder rechtlichen Gründe für deren Entfernung vorliegen.

Gleichzeitig sieht der Entwurf eine klare Frist vor: Nach dem 31. Dezember 2049 dürfen keine neuen Verträge über die Lieferung von fossilem Erdgas mehr abgeschlossen werden. Eine Ausnahme gilt nur für Gaslieferungen, deren CO₂-Emissionen durch sogenannte CCS-Verfahren dauerhaft gespeichert werden können – eine Technologie, die sich derzeit noch in der Erprobung befindet.

Industrie mit Vorrang beim Wasserstoff

Noch offen ist, wie groß der Anteil alternativer Gase künftig sein wird. Während die Industrie mittelfristig auf Wasserstoff angewiesen sein dürfte, werden private Haushalte laut Experten zunehmend auf strombasierte Heizsysteme umsteigen. Wärmepumpen, Solarthermie und Biomasse-Heizungen gelten hier als wirtschaftlichere Alternativen.

Planungssicherheit für Energieversorger

Für die Energiebranche gilt der Referentenentwurf als wichtiger Schritt. Die Stadtwerke erhalten damit erstmals rechtliche Klarheit darüber, wie sie den Ausstieg aus fossilem Erdgas planen und kommunizieren dürfen. Auch finanzielle Risiken durch unklare Zuständigkeiten sollen damit reduziert werden.

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), hatte zuletzt mehrfach auf die fehlende Rechtssicherheit hingewiesen. Viele Versorger wüssten nicht, wie sie mit sinkender Gasnachfrage umgehen sollen. „Der Gesetzesentwurf schafft die dringend benötigte Grundlage, um den Übergang zu gestalten, ohne Verbraucher und Stadtwerke zu überfordern“, so Liebing.

Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss es noch die Ressortabstimmung, das Kabinett und anschließend den Bundestag passieren. Die Bundesregierung ist verpflichtet, die EU-Vorgaben bis spätestens August 2026 umzusetzen.