Grüner Wasserstoff gilt als das Wundermittel der globalen Energiewende. Er soll in Stahlwerken die Kohle ersetzen und in der Chemieindustrie das Erdgas. Auch Fahrzeuge und Heizungen lassen sich mit Wasserstoff betreiben.

Er kann zudem als dringend benötigtes Speichermedium für erneuerbaren Strom aus Wind- und Solaranlagen genutzt werden. Aus diesem Grund wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Wasserstoffprojekte in Deutschland angekündigt. Diese Anlagen sollen nicht nur überschüssigen Grünstrom speichern, der Wasserstoff würde auch Erdgas in Industriebetrieben bis hin zu fossilen Flugtreibstoff ersetzen.
Die Produktionsstätten sind Millionen-Investitionen: In sogenannten „Elektrolyseuren“ wird Wasser in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Anders als Strom ist Wasserstoff gut speicherbar.
Aufbau eines Verteilnetzes
Der Umbau gelingt nur, wenn rechtzeitig ein Geflecht aus Fern- und Verteilnetzen entsteht. Die Gasnetzbetreiber (Betreiberverband FNB Gas) haben Mitte 2024 bei der Bundesnetzagentur den Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes beantragt. Dieses wurde im Oktober desselben Jahres genehmigt. Damit ist die Planungsphase abgeschlossen und der Aufbau beginnt, die Fertigstellung ist für 2032 geplant.
Rund 60 Prozent des Netzes soll aus bereits vorhandenen, aber noch zu prüfenden und gegebenenfalls umzuwidmenden Erdgasrohren bestehen. Die Länge des Netzes erreicht laut Planung 9.666 Kilometer. Die Kosten geben die Betreiber mit 19,7 Milliarden Euro an, die Ausspeise- oder Transportmengen mit 278 Terrawattstunden. Das entspricht fast einem Drittel des Endenergieverbrauchs aus Erdgas aus dem Jahr 2021 von 1.000 Terrawattstunden.
Anschubfinanzierung vom Staat
Wie bei Erdgas und Strom sollen die Leitungen des Kernnetzes grundsätzlich vollständig privatwirtschaftlich durch Entgelte der Nutzer bezahlt werden. Gleichwohl hat sich Berlin das Vorhaben am 21. Juni 2024 durch die EU-Kommission in Brüssel beihilferechtlich genehmigen lassen, denn zur „Zwischenfinanzierung in der Anfangszeit“ ist ein staatlich verwaltetes und bezuschusstes „Amortisationskonto“ geplant. Denn müsste die anfänglich geringe Nutzerzahl sämtliche Kosten schultern, wären die Entgelte untragbar hoch und würden weitere Anwender abschrecken.
Heizen: Wasserstoff soll Erdgas ersetzen
In Pilotanlagen wird grüner Wasserstoff mittels Elektrolyse aus erneuerbarem Strom und Wasser hergestellt. Der Strom dafür muss aus eigenen Solar- und Windkraftanlagen kommen, anderswo anfallende Stromüberschüsse dürfen nicht genutzt werden, schreibt die staatliche Regulierung vor. Von den ersten Plänen bis zur Inbetriebnahme einer Wasserstoffproduktion vergehen in der Regel 5 bis 7 Jahre.
Wasserstoff soll auch beim Heizen von Gebäuden auf breiter Front Erdgas ersetzen. Die Industrie bewirbt heute schon Heizungen, die „H2 ready“ sind, also mit Wasserstoff befeuert werden können.
Woher soll der ganze Wasserstoff kommen?
Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris befürchtet, dass die Ausbauziele global verfehlt werden, weil in den kommenden Jahren viel zu wenige Wasserstoff-Anlagen in Betrieb gehen. Bis 2030 müssten nach deren Berechnungen von weniger als 1 Gigawatt auf 590 Gigawatt verzigfacht werden, damit die globale Klimaneutralität bis 2050 erreicht wird (Pariser Klimagipfel).
Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, dass Deutschland den Großteil seines zukünftigen Wasserstoffbedarfs durch Importe deckt. Denn andere Länder haben bessere Standortbedingungen für die Erzeugung des vielen Wind- und Solarstroms, der für die Elektrolyse nötig ist. Doch nirgendwo ist genügend Kapazität in Sicht. 10 Gigawatt eigene Elektrolyse-Kapazität will Deutschland laut Wasserstoff-Strategie bis 2030 aufbauen. Aber bisher gibt es nur für 3 Prozent davon feste Investitoonsentscheidungen.
Im Nahen Osten will Saudi-Arabien zur Wasserstoff-Großmacht aufsteigen. Im Rahmen des Mega-Siedlungsprojekts Neom bauen saudische und amerikanische Investoren am Roten Meer für mehr als 8 Milliarden Dollar die erste Wasserstoffproduktion der Welt im Gigawatt-Bereich. 2026 soll die Anlage in Betrieb gehen. Den Strom werden Wind- und Solarparks liefern, der Wasserstoff soll zu Ammoniak verflüssigt und mit Schiffen exportiert werden. Die Fabrik-Technik kommt aus Deutschland von Thyssenkrupp Nucera.
Grüner Wasserstoff – grauer Wasserstoff
Ein Haupthindernis für grünen Wasserstoff ist sein bisher hoher Preis. Er ist aktuell bis zu sechsmal so teuer wie grauer Wasserstoff aus Erdgas.
Eine Alternative ist der sogenannte blaue Wasserstoff, der zwar ebenfalls aus Erdgas hergestellt wird, dessen CO2-Emissionen aber unterirdisch eingelagert werden, statt in die Atmosphäre zu gelangen (Carbon Capture and Storage CCS).
Rückschlag für die Pläne
Einen Dämpfer für die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung war die Insolvenz der Hamburger Firma HH2E AG im November 2024. Vier Jahre zuvor war sie PR-wirksam als Hoffnungsträger gestartet – zeitgleich mit der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung. Bis 2030 wollte HH2E Hightech-Geräte, sogenannte Elektrolyseure, mit insgesamt 4.000 Megawatt Leistung bauen.
Aus Kostengründen ziehen inzwischen auch Investoren wie EnviaM und Mibrag die Reißleine, viele Projekte werden aufgegeben oder zumindest auf Eis gelegt. So sollten zum Beispiel in Bitterfeld (Sachsen-Anhalt) für 100 Millionen Euro 4 Elektrolyseure zur Herstellung von grünem Wasserstoff gebaut werden, der über umgebaute Erdgasleitungen unter anderem die Automobilwerke von Porsche und BMW in Leipzig versorgen sollte. Doch die aktuellen Produktionskosten sind zu hoch, grüner Wasserstoff ist und bleibt teurer als Erdgas – Abnehmer wollen deshalb keine langfristigen Verträge eingehen. Wer international wettbewerbsfähig sein will, muss mit den USA und China mithalten können – dort wird weiter auf Erdgas gesetzt.
Der Ausbau des staatlich geförderten Wasserstoff-Kernnetzes geht unterdessen weiter. In dieses kann zukünftig über die Seehäfen importierter Wasserstoff, zum Beispiel aus dem Nahen Osten, eingespeist werden.