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Negative Strompreise sind kein Garant für kostenloses Heizen

Klingt verlockend: Wenn an der Strombörse der Preis ins Minus fällt, kostet Strom nichts – im Gegenteil, theoretisch würden Verbraucher sogar Geld fürs Abnehmen von Energie erhalten. Bei starkem Wind oder intensiver Sonneneinstrahlung kann dieses Phänomen tatsächlich auftreten. Für alle, die mit Strom heizen, etwa über Wärmepumpen oder Infrarotheizungen, scheint das eine ideale Gelegenheit zu sein, günstig Wärme zu erzeugen. Doch die Realität ist weitaus komplexer.

Stromerzeugung (Symbolgrafik: HLN Lab)

Warum es überhaupt negative Strompreise gibt

Negative Strompreise entstehen, wenn in Deutschland kurzfristig mehr Strom erzeugt als verbraucht wird. Besonders an windreichen oder sonnigen Tagen produzieren Windparks und Solaranlagen zeitweise mehr Energie, als das Netz aufnehmen kann. Da Kraftwerke und insbesondere Wind- und Solaranlagen nur schwer kurzfristig gedrosselt werden können, entsteht ein Überangebot.

An der Strombörse, der sogenannten EPEX Spot, reagieren die Preise auf dieses Ungleichgewicht. In Zeiten mit hoher Einspeisung und geringer Nachfrage sinken die Preise – bis sie ins Negative rutschen. Das bedeutet, Großabnehmer oder Netzbetreiber erhalten Geld, wenn sie Strom abnehmen und so das Netz stabilisieren.

Für Privathaushalte klingt das nach einer verpassten Gelegenheit, denn die Vorstellung, mit „geschenktem Strom“ zu heizen, liegt nahe. Doch im Alltag profitieren private Stromkunden davon kaum.

Warum Haushalte nicht direkt von Börsenpreisen profitieren

Privatverbraucher beziehen ihren Strom über Lieferverträge mit Energieversorgern. Diese Anbieter kaufen Strom meist langfristig ein und kalkulieren Durchschnittspreise. Nur ein kleiner Teil des Strommarkts wird kurzfristig an der Börse gehandelt – die sogenannten Spotmarktpreise.

Selbst wenn der Strompreis dort vorübergehend ins Negative fällt, kommt dieser Effekt bei Endkunden nicht an. Netzgebühren, Steuern und Abgaben bleiben konstant und machen mehr als die Hälfte des Endpreises aus. Auch Versorger können den kurzfristigen Preisvorteil kaum weitergeben, da sie langfristig planen müssen.

Selbst dynamische Stromtarife, bei denen sich der Preis stündlich nach Börsenniveau richtet, federn solche Schwankungen nur begrenzt ab. Zwar können Haushalte mit Smart Meter und flexiblem Tarif tatsächlich in Stunden mit sehr niedrigem Preis profitieren, doch negative Preise schlagen kaum spürbar durch – meist wird der Strom dann lediglich einige Cent günstiger.

Theoretische Chance für Stromheizungen

Für strombasierte Heizsysteme wie Wärmepumpen, Direktheizungen oder Nachtspeicheröfen klingt das Prinzip verlockend: Wenn Strom billig oder gar kostenlos ist, könnte man Wärme „auf Vorrat“ produzieren.

Technisch wäre das bei gut gesteuerten Systemen denkbar – etwa mit Pufferspeichern oder intelligenter Regelung, die die Wärmeerzeugung in günstige Stunden verschiebt. In der Praxis ist das aber nur möglich, wenn die Steuerung an variable Strompreise gekoppelt ist und die Tarife flexibel reagieren.

Solche Modelle sind bisher selten. Die meisten Haushalte haben feste Strompreise, die keine kurzfristige Anpassung zulassen. Zudem entstehen negative Preise meist nur für wenige Stunden im Jahr – ein zeitlich begrenztes Phänomen, das kaum spürbare Ersparnisse bringt.

Komplexe Preisbildung und fehlende Infrastruktur

Selbst wenn man theoretisch auf jede Preisschwankung reagieren könnte, bleibt die Infrastruktur ein Hindernis. Das Stromnetz muss stabil bleiben, und abrupte Nachfragespitzen könnten es zusätzlich belasten.

Auch die Speichertechnologie ist entscheidend. Ohne ausreichend große Wärme- oder Batteriespeicher lässt sich günstiger Strom kaum effizient nutzen. Eine Wärmepumpe etwa kann nicht unbegrenzt Energie aufnehmen und zwischenspeichern, sondern produziert Wärme nach Bedarf.

Die Realität zeigt: Negative Strompreise sind kein dauerhaft nutzbares Sparmodell, sondern ein Zeichen für kurzfristige Überproduktion und fehlende Netzflexibilität.

Warum das System dennoch Potenzial hat

Langfristig könnten flexible Stromtarife, intelligente Zähler und automatisierte Steuerungssysteme die Nutzung solcher Preisschwankungen erleichtern. Wenn Wärmepumpen, Elektroautos und Batteriespeicher automatisch dann laden oder heizen, wenn viel Ökostrom verfügbar ist, würde das Netz entlastet und Verbraucher könnten wirklich profitieren.

Pilotprojekte in Skandinavien oder den Niederlanden zeigen, dass variable Stromtarife und smarte Steuerungssysteme in Zukunft fester Bestandteil des Energiemarktes sein könnten. Voraussetzung ist eine Digitalisierung der Netze, flächendeckende Smart-Meter-Technologie und klare gesetzliche Rahmenbedingungen.

Photovoltaik die bessere Option

Negative Strompreise sind kein Garant für kostenloses Heizen. Sie entstehen nur kurzfristig und wirken sich auf private Stromkunden kaum aus, da Tarife, Steuern und Netzgebühren den Preis weitgehend stabil halten.

Dennoch zeigen sie ein wichtiges Prinzip: Je flexibler Stromverbrauch und Wärmeerzeugung an das Angebot erneuerbarer Energien angepasst werden, desto effizienter kann das Energiesystem insgesamt funktionieren.

Für Verbraucher bleibt das Heizen mit eigenem Strom – etwa über Photovoltaik und Wärmepumpe – derzeit die realistischere und nachhaltigere Option. Denn selbst wenn der Strom an der Börse einmal „nichts kostet“, bleibt das Heizen in der Realität vor allem eines: eine Frage von Technik, Steuerung und Timing.