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Deutscher Mittelstand: Wir brauchen die neue EU-Gebäuderichtlinie

Die wirtschaftliche Lage des deutschen Mittelstands bleibt angespannt. Viele kleine und mittlere Unternehmen melden seit Monaten eine zunehmend schwierige Geschäftsentwicklung, was auch das aktuelle KMU-Barometer für November 2025 bestätigt. Während die Bundesregierung zu Jahresbeginn angekündigt hatte, die Wirtschaft „wieder auf Kurs“ bringen zu wollen, entsteht im Mittelstand der Eindruck, dass politische Prioritäten an anderer Stelle liegen. Besonders die aktuelle Debatte um die europäische Gebäuderichtlinie EPBD zeigt, wie tief die Verunsicherung inzwischen reicht.

Widerstand der Länder gegen zentrale energiepolitische Vorgaben

Die EPBD verpflichtet alle EU-Staaten, bis Mai 2026 einen nationalen Umsetzungsplan vorzulegen. Sie definiert einen langfristigen Rahmen für klimaneutrales Bauen und Sanieren: Nullemissionen im Neubau ab 2030, eine deutliche Einschränkung neuer Gas- und Ölheizungen ab 2040 und eine umfassende Sanierungsoffensive für die ineffizientesten Gebäude.

Mehrere Bundesländer haben jedoch signalisiert, die Umsetzung um zwei Jahre verschieben zu wollen. Begründet wird dies mit der Sorge, Haushalte finanziell zu überfordern. Die Chefs der Staatskanzleien fassten Anfang November eine entsprechende Empfehlung.

Dieser Vorstoß kommt für viele Betriebe überraschend. Nach dem politischen Streit um das Gebäudeenergiegesetz hatten die Unternehmen mit einem stabileren Rahmen gerechnet. Die Kommunikation aus den Ländern wird deshalb vielerorts nicht als Entlastung verstanden, sondern als weiterer Unsicherheitsfaktor.

Bau- und Handwerksgewerke warnen vor ausbleibendem Investitionsschub

Gerade in der Bau- und Sanierungswirtschaft sind die Erwartungen an die EPBD hoch. Die Branche spricht von einer überfälligen Perspektive. Zwar ist unklar, wie schnell eine Sanierungsoffensive tatsächlich in Aufträge übersetzt würde, doch viele Unternehmen sehen darin die Chance auf einen strukturellen Aufschwung. Branchenverbände verweisen auf die große wirtschaftliche Bedeutung der Gebäudesanierung, die bereits 2023 rund 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachte.

Der Bundesverband effiziente Gebäudehülle kritisiert die geplante Verschiebung deutlich: Der Verband spricht davon, dass sich die Wertschöpfungskette des Bauens zunehmend ausdünne. In vielen Betrieben herrscht Kurzarbeit, und einige Unternehmen beginnen mit Stellenabbau. Die jüngste Entscheidung des Fensterherstellers Schüco, in Bielefeld 280 Arbeitsplätze zu streichen, gilt vielen als Warnsignal. Dass gerade in diesem Bereich ein hoher Anteil der Produktion in Deutschland stattfindet, verstärkt die Unruhe zusätzlich.

Sanierungsrückstand und Klimaziele in Konflikt

Fest steht: Die Sanierungsquote bleibt weit hinter den klimapolitischen Vorgaben zurück. Um bis 2045 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, müssten jährlich etwa 2 Prozent der Häuser energetisch modernisiert werden. Tatsächlich lag die Quote zuletzt bei unter 1 Prozent. Eigentümer und Kommunen zögern, weil Förderprogramme unübersichtlich bleiben und politische Vorgaben häufig überarbeitet werden. Auch der Ausstieg aus der Gas- und Öltechnologie wird unterschiedlich wahrgenommen – technisch machbar, aber finanziell für viele Haushalte schwer kalkulierbar.

In diesem Umfeld wirkt jede Verzögerung wie ein Signal der Unsicherheit. Die Bundesregierung verweist darauf, Anfang 2026 einen Gesetzesentwurf vorzulegen und diesen mit der Reform des Heizungsgesetzes zu verzahnen. Ob dieser Zeitplan realistisch ist, bleibt abzuwarten.

Ein ausbleibender Sanierungszyklus trifft nicht nur Hersteller, sondern auch Handwerksbetriebe, Planungsbüros und Dienstleister. Gleichzeitig bleiben Klimaziele ohne Modernisierung des Gebäudebestands unerreichbar. Rund 30 bis 40 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen stammen aus Gebäuden – ein Bereich, in dem technologische Lösungen vorhanden sind, aber Investitionen aufgeschoben werden.